Ich die Glucke

„Oma es tut mir leid“

17. Juni 2015
  • Guten Morgen Ihr Lieben,

wie Ihr wisst, mache ich ein paar Tage Ferien und damit ihr euch nicht so einsam ohne die „Glucke“ fühlt, habe ich liebe Menschen, die Gastbeiträge bei mir veröffentlichen.
Heute wird es ein anonymer Beitrag, da es sich um ein sehr heikles Thema handelt.

Demenz–

Was ist Demenz? Die bekannteste Demenzform ist Alzheimer. Damit in Verbindung bringt wohl jeder erst einmal den Gedächtnisverlust. Das ist aber nur ein Merkmal der Demenz, aber für viele das Schlimmste. Der/die Betroffene verliert nach und nach „sein/ihr Leben“, so wie es vorher war. Dadurch verliert man eben auch die Kontrolle über sich selbst und auch die Angehörigen können nur schwer damit umgehen.

Ich finde dieses Thema geht uns alle an, da die Häufigkeit, der auftretenden Fälle, stetig ansteigt und es kein Tabu sein sollte darüber zu reden. Weder für die Betroffenen selbst, noch für die Angehörigen.

Demenz

Folgende Geschichte möchte eine junge Mama loswerden.

 

Oma, es tut mir leid!

 Aufgewachsen bin ich in einem 2-Familien-Haus. Oben meine Eltern und ich und unten meine Großeltern. Ich habe sehr viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht, denn als Kind ist es bei den Großeltern ja immer am tollsten.

 Ich erinnere mich noch wie ich im Garten gespielt haben, während meine Oma ihrem größten Hobby nachging: der Gartenarbeit. Meine Oma hat für mich genäht, jeden Sonntag gingen wir zum Essen runter. Sie war eine sehr aktive Frau.

 Meine Oma war eine Frau, die nichts aus der Bahn hauen konnte. Es wurde einmal in der Woche das Treppenhaus gewischt, denn Ordnung war ihr sehr wichtig! Sie hat mir Geschichten vom Krieg erzählt und ist mit mir im Auto zur Verwandtschaft gefahren. Es war immer richtig toll mit ihr.

 Mein Mann z.B., hat meine Oma leider nie so kennen gelernt, denn als ich 18 war geschah Folgendes:

 Meine Eltern waren gerade für 2 Wochen auf Mallorca und ich mit meinen Großeltern alleine im Haus.

Als ich von der Schule nach Hause kam, riss mein Opa die Tür auf und stand heulend vor mir. Ich müsste ihn sofort ins Krankenhaus bringen, Oma ist mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gekommen. Er selber war nicht zu Hause als es passierte. Er fand meine Oma vollgebrochen und bewegungsunfähig in ihrem Sessel.

Meine Oma hatte einen Schlaganfall!

Schlaganfall

Im Krankenhaus angekommen, erkannte ich meine Oma nicht wieder. Sie konnte kaum sprechen und wusste nicht was los war. Das das nur die Medikamente waren, hat man mir nicht gesagt.

Was für mich auch sehr schlimm war an dieser Situation: Meine Oma sagte mir noch, ich soll meinen Eltern im Urlaub nichts sagen. Nachdem ich aber mit meiner anderen Oma gesprochen habe, habe ich auch meine Eltern informiert. Diese haben ihren Urlaub zum Glück nicht abgebrochen und als meine Oma von der Intensivstation kam, ging es ihr auch langsam besser. Eine Teillähmung blieb zurück und in der Reha hat sie einiges wieder neu erlernt. Trotzdem ist meine Oma nie wieder die alte lebenslustige Frau geworden.

 Seitdem kann sie nur noch allen ihr Leid klagen, sitzt am liebsten nur noch in ihrem Sessel oder draußen auf der Terrasse und zu Feiern kommt sie wohl oder übel noch irgendwie mit.

 Vor ein paar Jahren ist sie dann noch die Treppe hinunter gestürzt: Oberschenkelhalsbruch.

 Und auch wenn ich weiß, dass sie für das alles nichts kann, bin ich oft genervt davon. Ich selber möchte das zwar nicht, aber ich kann es nicht abstellen.

Meine Oma vergöttert ihre Urenkel! Aber das ist auch sehr anstrengend für alle. Ständig macht sie irgendwelche Geräusche oder ruft nach ihnen. Es ist einfach nur anstrengend. Vor allem da die Terrasse direkt neben unserem Garten ist, haben wir im Sommer nicht viel Ruhe. Leider werde ich auch davon sehr schnell genervt.

 Was jetzt auch noch dazu kommt: Meine Oma ist mittlerweile dement.

 Das habe ich zum ersten Mal gemerkt, als sie von der Schwangerschaft mit MIR sprach. Bis ich sie dann irgendwann darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich ihre Enkeltochter bin.

Was mir auch im Herzen weh tut: meine Tochter hat sie noch nie gehalten. Sie würde gerne, aber die Kraft dazu hat sie nicht mehr. Meine Oma isst nicht mehr viel und wenn dann ist es meist nur Schokolade.

Meine Mutter kümmert sich um den kompletten Haushalt und kocht auch für meine Großeltern.

Meine Oma lässt sich nur selten freiwillig die Haare waschen und zieht lieber dreckige Kleidung an, damit meine Mutter nicht so viel waschen muss. Was natürlich völliger Quatsch ist, denn das macht meiner Mutter nichts aus. Mittlerweile merkt man auch stark, was für derbe Wörter sie benutzt und es ist schon fast peinlich, mit ihr rauszugehen. Sie bringt alles durcheinander und man hat das Gefühl, sie möchte nicht mehr leben.

 Ich liebe meine Oma, stehe mir aber selber im Weg es ihr zu zeigen. Meine schlechte Laune, die Genervtheit die von mir ausgeht, das stört mich selber. Aber es ist auch verdammt anstrengend.

Ich war lange Zeit nicht drüben, weil ich das mit den Kindern zusammen einfach nicht gut kann. Es ist mir seelisch zu anstrengend, denn es zieht mich runter Sie so zu sehen.

Diese ehemals lebenslustige Frau, die alles gemacht hat und auf einmal nicht mehr da zu sein scheint. Und wir alle können froh sein, wenn sie das nächste Weihnachtsfest noch erlebt.

 

Ich danke Dir sehr für deine offenen und ehrlichen Worte. Ich weiss, das es schwerfällt den Menschen, den Du als deine Oma kennst, noch zu finden aber glaube mir, für Sie selbst ist es genauso schwer. Demenzkranke werden ja sehr oft falsch verstanden, Sie machen wütend und man weiss nicht mehr weiter. Vielleicht habt Ihr, meine lieben Leser(innen) Tipps für die junge Mama, wie man besser mit der Demenz umgehen kann. Wie man dem Betroffenen helfen kann? Wie man auch selber lernen kann, nicht genervt oder wütend zu werden um die wenige Zeit, die man noch gemeinsam verbringen kann, auch geniessen kann.

Ich freue mich auf eure Kommentare und leite Sie natürlich weiter.

Eure Glucke

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6 Comments

  • Reply Katrin 22. Juni 2015 at 14:26

    Hallo,

    auch meine Oma war an Alzheimer erkrankt. Und auch ich bin nur schwer mit ihren Wesensveränderungen klargekommen. Als sie noch gesund war, hat sie öfter mal auf meine zwei Großen (aber immer nur einen auf’s Mal) aufgepasst und mich im Haushalt unterstützt oder für uns gekocht. Nachdem mein Papa an Krebs gestorben ist, brach die Krankheit richtig bei ihr aus. Und als ein Jahr später meine Zwillinge geboren wurden, konnte sie mich nicht mehr unterstützen. Aber sie kam oft vorbei, setzte sich zu ihren spielenden Urenkeln und freute sich einfach dabei zu sein. Als drei Jahre später meine erste Tochter geboren wurde, ging das nur noch unter Aufsicht, weil sie oft schon nicht mehr wusste, was sie tut. Und sie fing an sehr aggressiv zu werden. Ich bin täglich zu ihr und habe ihr ihre Tabletten gebracht. Später dann sogar mehrmals am Tag, weil sie sonst alle Tabletten der Tagesration auf einmal nahm oder versteckte.

    Sie kam dann in ein Pflegeheim, weil es zu Hause gar nicht mehr ging. Anfangs kam meine Mutter noch wöchentlich mit ihr bei uns zum Kaffeetrinken vorbei, was auch immer wirklich schön war. Aber dann vergaß meine Oma, wie man ins Auto ein- und wieder aussteigt. Meine Mutter brauchte jedesmal einen Helfer dazu, um sie irgendwie ins oder aus dem Auto zu kriegen. Also haben wir sie im Heim besucht. Aber sie hat mich und meine Kinder so gut wie nie erkannt. De Kinder hatten dann auch oft Angst vor ihr durch die manchmal plötzlich auftretenden Wutanfälle von ihr. Ich bin dann alleine zu ihr gefahren. Aber da sie nur noch selten wusste wer ich bin, ließ sie sich von mir nicht mal in den Arm nehmen und hat mich meist ignoriert. Ich bin dann längere Zeit nur sehr sehr selten dort gewesen. Es war für mich jedes Mal sehr schmerzhaft diese Frau zu sehen, die zwar wie mein Oma aussah, aber eigentlich nichts mehr mit ihr gemeinsam hatte. Und ich fiel nach den Besuchen oft in ein Loch. Aber ich brauchte meine Kraft auch für meine Familie mit mittlerweile 6 Kindern. Erst als meine Oma durch ihre Krankheit wieder in eine Art Kleinkindstadium angekommen war, fanden wir wieder einen Draht zueinander. Sie ließ sich von mir „betütteln“, sah die Kinder wahrscheinlich als gleichaltrig an und war auch sehr liebebedürftig. Ab und an fiel ihr sogar mein Spitzname wieder ein und sie rief mich und lächelte mich an. Ca. ein halbes Jahr später ist sie dann gestorben. Es war für sie eine Erlösung.

    Trotz der schönen Momente die wir zum Schluss wieder miteinander hatten, leide ich bis heute darunter, dass ich in der Zwischenzeit nicht wirklich für sie da war und ich sehr oft sehr genervt von ihr war. Meine Mutter hat sie immer mehrmals pro Woche besucht und bei ihr kam es nur selten vor, dass Oma sie nicht erkannt hat. Immer wenn ich den Trailer für den Film „Honig im Kopf“ sehe, breche ich in Tränen aus. Es erinnert mich einfach zu sehr an diese Zeit. Und meine Oma fehlt mir einfach! Aber diese Krankheit hat uns einfach alle dauernd an unsere Grenzen gebracht, oft körperlich aber vor allem emotional.

    Ich wünsche Dir trotzdem noch viele schöne Momente mit Deiner Oma und viel Kraft um für sie dazusein, aber auch für Dich und Deine Familie.

    Liebe Grüße!
    Katrin

    • Reply Glucke 25. Juni 2015 at 21:15

      Liebe Katrin,
      vielen Dank für deine aufmunternden Worte. Aber in diesem Beitrag geht es nicht um mich sondern um eine andere Mama, die aber alles mitgelesen hat udn sehr gerührt ist von dem Zuspruch den Sie hier erhält.
      Wow Du hast einiges durchgemacht und Hut ab vor deiner Leistung.
      Liebe Grüsse
      Dani

  • Reply klitzekleinedinge 17. Juni 2015 at 18:36

    Toll, wie ehrlich dieser Beitrag rüberkommt!

    Ich habe viel mit dementen Menschen zu tun, da ich in der Altenpflege arbeite. Außerdem ist meine Oma ebenfalls schon seit vielen Jahren dement. Es ist sehr anstrengend mit dementiell veränderten Menschen umzugehen, gerade dann, wenn man sie mal anders kannte und eigentlich sehr lieb hat.

    Aus meiner Erfahrung klappt es selten gut, wenn sich Angehörige um Demenzkranke kümmern – weil man einfach zu nah dran ist und nie wirklich abschalten kann. Man ist genervt (was ganz normal ist) und macht sich deswegen Vorwürfe.

    Habt ihr mal überlegt, eure Oma anderweitig betreuen zu lassen? Es muss ja nicht immer gleich ein Heim sein. Es gibt auch Tagespflege, Pflegedienste, die nach Hause kommen… ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, gerade wenn es einen so sehr belastet und man dabei auch an die Kinder denken muss.

    Liebe Grüße, Biene

    • Reply Glucke 17. Juni 2015 at 19:52

      Hallo,
      Vielen Dank für deine Worte und deine wichtige Arbeit. Ich werde es der Betreffenden weitergeben.
      Liebe Grüße
      Dani

  • Reply Blogprinzessin 17. Juni 2015 at 12:56

    Hallo du!

    Mein Mann ist Altenpfleger und daher bin ich da ein bisschen vorbelastet. Aber ich würde sagen, sucht euch vielleicht (ich kenne euch ja nicht) etwas Hilfe. Vielleicht ein mobiler Pflegedienst oder einfach erstmal eine Beratung darüber. Es gibt (und ich unterstelle euch nicht das euch das passiert, ich will eher davor warnen) ganz viele Familien die alles alleine wuppen und dann irgendwann dreht einer durch weil man dem ganzen Druck und dem „es ist doch deine Mutter/Oma/Papa etc“ nicht mehr gewachsen sind.

    Liebe Grüße und starke Nerven,
    Katarina

    • Reply Glucke 19. Juni 2015 at 12:30

      Vielen Dank für deine Worte und ein Hoch auf deinen Mann, es ist ein sauschwieriger Job. Ich gebe es an die Betroffene weiter.

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