Wir gehen wie jeden Abend ins Bett.
Wir werden mitten in der Nacht wach. Was ist das nur für ein Krach? Wieso riecht es so verbrannt? War das gerade ein Erdbeben? Wir springen sofort auf, um aus dem Fenster zu schauen. Mein Mann rennt die Treppe runter und reißt die Haustür auf. Mir laufen bereits die Tränen und ich schnappe mir den Prinzen. Was ist hier los. Sirenen, Feuer, Schüsse, Hubschrauber, schreiende Menschen. Ich renne ebenfalls die Treppe runter. Mein Mann sagt es ist Krieg. Wir schauen uns an und verstehen die Welt nicht mehr.
Krieg? Quatsch sowas gibt’s doch nicht bei uns. Oder doch? Ok. Schnell in den Keller und mehrere Reisetaschen holen und so schnell es geht, das Nötigste einpacken. Der Prinz weint, er versteht gar nicht was hier los ist. Wir verstehen es auch nicht aber es nützt nix. Wir packen Sachen ein, ein bisschen Spielzeug, unsere Pässe und unsere Telefone, Medikamente, Essen und Trinken. Als ob wir in den Urlaub fahren würden. Aber wo fahren wir überhaupt hin? Wie sieht es denn außerhalb unseres Stadtrand-Kosmos aus? Was wird uns erwarten? So etwas wie Krieg, kennen wir nur aus Erzählungen, Geschichtsbüchern und dem Fernsehen.
Mein Mann schaut kurz in die Nachrichten und was wir da sehen, ist wie ein Albtraum. Anscheinend, hat die ganze Nation diesen Ausnahmezustand.
Wir haben keine Zeit mehr. Wir rennen raus.
Der Prinz und ich zuerst. Der Mann schleppt alles ins Auto, was er tragen kann und ich habe Todesangst. Ich habe Angst zu sterben. Ich weiß nicht, was hier los ist aber ich habe Angst um mich, meine Familie und alle Menschen da Draußen. Mein Mann sitzt und wir rasen los.
Aber wohin. Egal, einfach weg und in Sicherheit bringen. Irgendwo muss es sicher sein. Wir sind hier in Deutschland und nicht im Kriegsgebiet.
Wir fahren und was wir sehen ist katastrophal. Überall Polizei, überall rennende Menschen, Feuer. Es klingt so, als ob Bomben einschlagen würden, die Erde bebt immer wieder. Ich versuche aus diesem Albtraum aufzuwachen.
Das kann doch nicht die Wirklichkeit sein.
Wir fahren und fahren. Wir bleiben nicht stehen. Nicht solange das Auto fährt. Wir werden immer wieder angehalten und uns wird gesagt wo wir hin sollen. Wir sollen aus dem Land. Wir sollen Richtung Österreich fahren. Dort ist alles in Ordnung. Ok. Ein Ziel.
Wir fahren und fahren. Der Prinz schläft. Wir zittern. Wie geht es weiter? Was wird aus unserem Zuhause? Wie geht es unseren Familien? Das Handynetz ist komplett zusammengebrochen. Wir können niemanden erreichen. Leben Sie? Wo sind Sie? Was ist hier nur los?
Ich will jetzt endlich aus diesem Albtraum aufwachen.
Wir kommen nach über einem Tag in Österreich an. Die Erste Raststätte wurde umfunktioniert. Dort stehen Polizisten die alle einweisen. Wir sollen warten. Dort warten Hunderte. Ich sehe Familien, Alte und viele Kinder. Die meisten weinen und sehen verzweifelt aus.
Was machen wir hier. Ich will nach Hause. Das kann doch alles nicht wahr sein. Wir sind sehr müde und warten. Wir warten fast einen Tag.
Hätten wir vorgestern gewusst was Morgen passiert, wir hätten gelacht.
Wir sitzen auf der Erde und man gibt uns Essen und Trinken. Ab und zu, gehen wir zur Toilette und machen uns frisch. Die Kinder laufen durch die Raststätte. Ein Fernseher läuft und zeigt, in Deutschland ist Krieg. Es gibt viele Tote und man soll einfach nur das Land verlassen.
Wir warten und warten. Endlich kommt jemand. Er nimmt unsere Pässe und trägt uns in eine Liste ein. Dann gibt er uns einen Zettel, mit einer Adresse und sagt, dort sollen wir hin. Dort müssen wir dann erstmal bleiben. Ich frage müssen und wie lange? Ja müssen und wie lange, keine Ahnung, sagt der Mann. Ich breche zusammen. Ich kann nicht mehr. Ich weiß überhaupt nicht was hier los ist. Ich will doch einfach nach Hause. Ich will in mein Bett. Ich will mit meinem Prinzen spielen. Ich will mein Leben wieder haben.
Wir kommen da an und es ist eine Turnhalle. Es stehen Menschen in einer Schlange. Wir stellen uns in die Schlange und warten. Wir warten und warten. Mehrere Stunden passiert kaum etwas. Der Prinz ist fix und fertig. Er schläft zwischendurch ein.
Wir sind endlich dran. Man gibt uns Decken und Matratzen und sagt, wir müssen jetzt eine Weile hier bleiben, bis sich die Situation entspannt. Wir fragen, ob wir nicht in ein Hotel gehen können. Man lacht uns aus. Hotels sind voll. Entweder wir bleiben hier oder wir schlafen ungeschützt im Freien, ohne alles. Wir senken unsere Köpfe und gehen rein. Es gibt viele Helfer. Sie sind sehr nett. Sie zeigen uns alles. Es gibt Pläne, wer wann Küchendienst hat oder die Toiletten putzt. Wer die Kinder betreut oder die Halle fegt.
Wir weinen. Wir weinen und können einfach stundenlang nicht mehr aufhören.
Ich schrecke hoch. Wo bin ich? Ich bin klatschnass und ich bin zu Hause, in meinem Bett. Der Prinz und mein Mann sind da. Ich renne raus und schaue aus dem Fenster.
Es ist ruhig. Die Sonne scheint. Es ist Morgen.
ES WAR EIN ALBTRAUM
Es war nur ein Traum. Es war der schlimmste Traum, den ich je hatte. Ich war ein Flüchtling. Ich musste aus meinem Land fliehen, weil wir dort nicht mehr sicher waren.
Ihr Lieben Menschen. Ich sage euch #1000malWillkommen.
Ich schäme mich für meine Landsleute, die euch das Leben in unserem Land schwer machen. Glaubt mir, wir sind nicht alle so. Ich heiße euch Willkommen und hoffe, ihr könnt die schrecklichen Bilder und Erfahrungen aus eurem Kopf verbannen. Ich hoffe, ihr könnt irgendwann wieder glücklich werden, auch wenn es nicht in eurer Heimat sein wird.
Ich wünsche euch das Beste und werde tun, was ich kann um euch nicht das Gefühl zu geben, ihr seid hier nicht Willkommen.
Ich freue mich über einen regen Austausch aber rechtes Gedankengut werde ich auf meinem Blog nicht dulden und sofort löschen. Ich danke euch.
Viele wundervolle Menschen haben sich zusammen geschlossen um zu zeigen, dass wir für Menschen sind und unter dem Hashtag #bloggerfuerfluechtlinge informieren wir euch über alles Wissenswerte. Wir können alle helfen.
Eure Dani, die Glucke
22 Comments
[…] erinnere mich gut an einige Kommentare damals, als ich mich zur FlüchtlingssituationFlüchtlingssituation geäußert habe und ja ich mache mir auch Sorgen um unser Land und unser Leben, das ist mein Recht, […]
[…] Laut der Welthungerhilfe befinden sich 30 Millionen Frauen auf der Flucht aufgrund von z.B. Armut, sexueller Übergriffe, Krieg und Diskriminierung. Allein die psychische Belastung solch einer Flucht mag ich mir gar nicht vorstellen. […]
[…] und jeden der mitmachen möchte. Eigentlich ist #GibMirDieHand eine symbolische Aktion. Nach dem politisch und sozial aufwühlenden Jahr 2016 war mir einfach nach einem Zeichen, dass alles gut werden kann. Dass […]
[…] rundum glücklicher Mensch sein. Ich möchte gesund sein und in einem friedlichen Land leben und am Wochenende mit meinen Lieben auf der Terrasse sitzen und Kaffee und Kuchen zu mir nehmen. […]
[…] Ich danke dafür, dass ich frei und sicher leben darf, jeden Tag genug Essen & Trinken habe und ein Dach über dem Kopf. […]
Hab Tränen in den Augen und eine ziemlich dicken Klos im Hals… Unser Reichtum hat sein Fundament auf der Armut anderer Menschen/Völker aufgebaut. Nun ist es eins vor zwölf!!!! Wir müssen handeln und helfen! Statt noch mit Füßen nach zu treten.
LOVE is all we need!!
Danke für Deinen Artikel.
Hi und danke für deinen Besuch und ja es ist eins vor zwölf
[…] nicht gemacht ist. Zudem bin ich Elternbloggerin. Da steht es mir eigentlich nicht zu über z. B. politische Themen zu diskutieren. Ich bin im Netz sichtbar aber meine Familie nicht. Ich schütze, was und wer […]
Danke für diesen Beitrag!
Sehr gerne…
LG
Dani
[…] Glucke und so: Wenn morgen nichts mehr da wäre … […]
[…] Wenn Morgen nichts mehr da wäre […]
[…] Glucke und so mit „Wenn morgen nichts mehr da […]
[…] von seiner Oma. Ebenso gibt es Artikel bei Jessi von FeierSun, bei Andrea Harmonika und bei Dani vom Blog GluckeundSo. Hier könnte ich natürlich noch viel mehr verlinken, aber ihr findet alle Beiräge auch der Seite […]
[…] Gluckeundso nimmt uns auf ihrem Blog mit auf eine beklemmende und beängstigende Traumreise. […]
Sehr eindrucksvoll geschrieben. Das einzige, was uns wirklich von Flüchtlingen unterscheidet, ist doch das wir das Glück hatten in einem Land geboren zu sein, in dem wir mit vielen Privilegien und ohne diese grundlegenden Ängste leben können. Wir haben einfach nur Glück.
Vielen Dank, ich hatte beim Schreiben wirklich Angst und ja wir haben Glück.
Danke! Es schreiben viel zu wenige darüber. Mir lässt das auch keine Ruhe
https://dienna79.wordpress.com/2015/07/09/wenn-die-heimat-keine-zuflucht-mehr-ist/
Ich habe auch schon oft geträumt, dass Krieg sei. Ich hab mich sehr intensiv mit dem 2.Weltkrieg beschäftigt und sehe nun Bilder aus Filmen oder Büchern. Ich muss das mit meiner Familie durchstehen. Ich hoffe ganz sehr, dass das nie bei uns passieren wird und ich wünsche mir, dass diese ganzen „besorgten Bürger“ endlich aufwachen und verstehen was sie tun. Menschen fliehen vor Grausamkeit und werden bei uns so empfangen. Erschreckend. Ganz wichtig ist hier meiner Meinung nach die Aufklärung der Kinder. Unglaublich was Kinder in Schule und Hort ihren Eltern nachplappern.
Ich hoffe auch dass wir das nie erleben müssen und das in unserem Land endlich gehandelt wird und diese Menschen irgendwann Frieden schließen können.
Hey,obwohl ich mir vor dem lesen denken konnte,worum es geht,War ich beim Lesen total atemlos und zittrig.du hast das echt real und hastig geschrieben. Ich mag mir kaum vorstellen,was das in der Realität bedeutet…..
Ich hatte beim Schreiben wirklich Beklemmungen. Mir Tun diese Menschen wirklich sehr leid und ich kann und möchte nicht glauben was gerade in unserem Land abgeht.